Legende

 

Herkunft

Im 16. Jahrhundert flohen Angehörige des mennonitischen Glaubens (eine neutestamentliche, dem Baptismus verwandte christliche Glaubensrichtung) vor religiöser Verfolgung aus den Niederlanden, Mähren und verschiedenen nord- und mitteldeutschen Staaten und fanden Zuflucht im Königreich Polen. Hier nahm man sie gern als fähige Deichbauer und Landwirte auf, ließ sie in den Gegenden um Danzig sowie in West- und Ostpreußen siedeln und räumte ihnen das Privileg ein, keinen Miltitärdienst leisten zu müssen. Als Danzig und Westpreußen Ende des 18. Jahrhunderts an Preußen fielen, konnten sie ihr Privileg nur gegen Ausgleichszahlungen wahren und verloren zugleich das Recht, neues Land zu erwerben. Daher setzte ab 1788 ein stetiger Fortzug nach Russland ein, namentlich in die heutige Urkaine nördlich des Schwarzen Meeres. 1853/54 zogen 31 Mennonitenfamilien von Preußen an die Wolga, wo sie die Kolonie 'Am Trakt' im Gouvernement Samara gründeten.

Hier genossen sie von neuem Religionsfreiheit, Steuerfreiheit auf 30 Jahre und, zunächst auf unbegrenzte Zeit, das Privileg der sogenannten 'Wehrlosigkeit': Ihre Söhne wurden nicht zum Militärdienst eingezogen. 1874 wurde dieses Privileg von Zar Alexander II. kassiert. Zur gleichen Zeit wurde das Russische in allen deutschen Siedlungen an der Wolga als Amts- und Schulsprache eingeführt. All dies führte, besonders unter den Mennoniten, zu einer massiven Abwanderung nach Nord- und Südamerika. Um diesen Fortzug zu stoppen, richtete die russische Regierung einen Wehrersatzdienst für die Mennoniten ein. Sie durften ihren Dienst mit Forstarbeit, in zivilen Lazaretten oder bei der Eisenbahn ableisten.

Doch weitere Siedler wanderten von der Wolga ab, u.a. in die neue russische Provinz Turkestan, zu der auch das heutige Kirgisistan zählte. Hier wurden Siedler benötigt, und hier bekam eine Gruppe von Mennoniten aus dem Wolgagebiet die alten Privilegien neu eingeräumt. So gründeten mennonitische Siedler 1882 im Talas-Tal, im Nordwesten des heutigen Kirgisistans, die erste deutsche Kolonie. Ihre Nachfahren lebten dort in großer Zahl bis in die 1970er Jahre hinein. In den 1990er Jahren wanderten die meisten von ihnen nach Deutschland aus. Der größte Teil ihrer in Kirgisistan verblieben Nachfahren lebt heute in dem Ort Bergdorf/Rotfront, der Ende der 1920er Jahre als Ableger der Talas-Tal-Siedlungen im nordkirgisischen Tschüi-Tal gegründet worden war.

1885 lebten 382 Deutsche im Talas-Tal, und stetig zogen neue Siedler zu. 1920 wurden 4.000 Bürger 'deutscher Nationalität' in Kirgisistan gezählt, 1939 11.741, davon 4.416 im Talas-Tal. Ab 1956, mit der Aufhebung der Kommandanturen, setzte der massive Zuzug anderer Russlanddeutscher ein, viele von ihnen ebenfalls ehemalige Wolgadeutsche und deren Nachfahren. Seit Beginn der 1970er Jahre verließen sie das Land in stetig wachsender Zahl in Richtung Westen. Dennoch lebten 1989 noch immer etwa 100.000 Deutsche sowjetischer Staatsbürgerschaft in Kirgisistan. Direkt nach dem Zusammenbruch der UdSSR aber übersiedelten sie beinahe vollständig nach Deutschland, womit die 110-jährige Siedlungsgeschichte der Deutschen in Kirgisistan praktisch beendet war. Heute leben laut der Organisation Deutsches Haus nur noch rund 10.000 Deutschstämmige in Kirigisistan (Stand Mai 2014).

Quellen: Lichtzeichen Verlag/Echo Verlag 1948, 'Am Trakt – Eine mennonitische Kolonie im mittleren Wolgagebiet'; John C. Wenger, 'Wie die Mennoniten entstanden sind' , Bielefeld 2012; www.flaggenlexikon.de vom 3.8.2014; Robert Friesen, 'Auf den Spuren der Ahnen', Minden 2001; Wikipedia 'Kirgisistandeutsche' , Stand 3.8.2014.

© 2014 | Heimat a.D. | Impressum/Kontakt